Kunst wichtig für die Gesellschaft?

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Hösel. Die fast vollständige Abwesenheit der Ratinger Politik bei der Podiumsdiskussions des Kulturkreises Hösel sagt beinahe alles: Nein, Kunst ist für die Gesellschaft nicht existenziell, jedenfalls aus Sicht der Ratinger Kulturpolitiker. Die Teilnehmer auf dem Podium und ein großer Teil des Publikums waren sich dagegen einig: Kunst ist demokratierelevant.

Wolfram Brecht, Vorsitzender des Kulturkreises Hösel, begrüßte rund 30 Gäste, darunter die Ratinger Kulturamtsleiterin Andrea Töpfer, zur Podiumsdiskussion im Pfarrsaal von St. Bartholomäus. Thema der hochkarätig besetzten Diskussionsrunde: „Die Bedeutung von Kunst für Mensch und Gesellschaft – nice to have oder existenziell?“ Auf dem Podium diskutierten Michael Schäfer, Ratinger Theatermacher, Matthias Hornschuh, Film- und Medienkomponist, Ralf Gottesleben, Essener Theatermacher, Katherine Heid, Geschäftsführerin der Kulturpolitischen Gesellschaft, Johannes Klumpp, Orchesterchef und Musikvermittler, André Tünkers, Ratinger Unternehmer, und Roland Zag, Drehbuchberater.

Michael Schäffer, Mitglied im Kulturkreis Hösel, leitete die durchaus lebhafte Diskussion gekonnt. Zunächst aber gab Matthias Hornschuh ein Einführungsreferat. In elf Thesen begründete der Musikwissenschaftler, dass Kunst zwar nicht systemrelevant, aber bestimmt unabdingbar für eine funktionierende Demokratie sei.

Die folgende gut anderthalbstündige Diskussion auf Podium führte facettenreich und tiefgründig auf, warum Kunst für eine Gesellschaft existenziell notwendig sei. Dabei wurde immer wieder das Bildungsbürgertum als beispielhaft angeführt und zugleich verteufelt, weil es eine elitäre Sicht von Kunst habe. Die aber würde zu einer modernen, demokratischen Gesellschaft nicht passen. Es wurde festgestellt, dass man Kinder frühzeitig an Kunst heranführen muss, wenn man sie nicht verlieren wolle. Hier aber versage die Bildungspolitik völlig.

Ein anderes, sehr wichtiges Thema war den Podiumsteilnehmern die finanzielle Sicherheit der Kulturschaffenden. Sie betonten mehrfach, dass Kunst ein Beruf sei und Künstler nicht allein vom Beifall leben können. Der Gesellschaft müsse Kunst etwas wert sein, eben auch im materiellen Sinne. Als ein Publikumsgast dann das bedingungslose Grundeinkommen als mögliche Lösung vorschlug, wehrte sich aber Matthias Hornschuh: „Es ist nicht akzeptabel, dass bedingungslose Grundeinkommen auf Kulturschaffende als  Berufsgruppe zu begrenzen, da diese damit ihren Vergütungsanspruch aufgeben – und damit letztlich den verfassungsgemäßen Schutz der Menschenwürde.“ (Das Zitat wurde geändert, wird hatten vorher fälschlich geschrieben, dass Matthias Hornschuh gesagt hätte, die Kunstschaffenden könnten das Grundeinkommen nicht selbst fordern, da dies einen egoistischen Eindruck hinterlasse.)

Im Publikum war wohl niemand, der die Berechtigung von Kunst ernsthaft bezweifelte. Doch fehlte dem einen oder anderen jemand auf dem Podium, der vielleicht eine differenziertere Sicht zum Thema gehabt hätte. So war das Meinungsbild der Diskutanten doch sehr einheitlich. Auch wenn sie die zugegeben etwas provokante Anmerkung eines Publikumsgastes, die Podiumsteilnehmer würden sich in der Opferrolle sehen, empört und weit von sich wiesen. Der Eindruck der armen unverstandenen Kunstschaffende blieb doch hängen.

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