Ratingen. Die Stadt Ratingen wird ihren Beitrag leisten, um einen Gasnotstand im kommenden Winter abzuwenden. Dazu hat der Rat der Stadt in seiner Sitzung am 18. August über mögliche Energiesparmaßnahmen beraten, welche die Verwaltung und die Stadtwerke vorgeschlagen hatten. „Wie die Bundesregierung haben wir uns zum Ziel gesetzt, 20 Prozent Energie im Einflussbereich der Stadt einzusparen“, sagt Bürgermeister Klaus Pesch. „Wegen der unmittelbar drohenden Gasmangellage in den Wintermonaten konzentrieren wir uns auf Maßnahmen mit starker Wirkung, die schnell umsetzbar sind.“ Beschlüsse werden in einer weiteren Ratssitzung am 30. August gefasst. Bis dahin soll möglichst konkret ermittelt werden, durch welche Maßnahmen das Gesamtziel von 20 Prozent erreicht werden kann.
Der drohende Notstand ist auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zurückzuführen. Russland versucht, durch eine Verringerung der Gaslieferungen Druck auf die Länder auszuüben, welche die Ukraine unterstützen. Es wird befürchtet, dass die Lieferungen zum Winter hin ganz eingestellt werden. Die Mengen, die Russland normalerweise liefert, können aber so schnell nicht aus anderen Quellen beschafft werden. Deshalb muss Energie gespart werden, um selbst im Falle eines Lieferstopps durch Russland genug Gas für den Winter zu haben. Denn wenn die Gasvorräte nur Neige gehen, müsste die Bundesregierung die höchste Stufe des Notfallplans Gas ausrufen, und das bedeutet, dass die Bundesnetzagentur die Gasverteilung einschränkt und lenkt. Zurzeit (seit dem 23. Juni) gilt noch die zweithöchste Alarmstufe.
Besonders viel Energie kann beim Heizen und Kühlen gespart werden. In Gebäuden zum Beispiel entfallen durchschnittlich rund 70 Prozent des Energieverbrauchs auf die Heizung, zudem wird dafür in großem Umfang Erdgas als Energieträger eingesetzt, so dass eine Einsparung vollständig auf den Verbrauch von Gas durchschlägt. Allerdings ist auch Stromsparen sinnvoll, denn Gas wird auch bei der Stromproduktion eingesetzt.
Die Stadt und die Stadtwerke Ratingen haben bereits in den Monaten seit Ausbruch des Krieges Möglichkeiten zum relevanten Energiesparen auch in der warmen Jahreszeit ausgelotet und umgesetzt. So wurde beispielsweise die Temperatur in den Schwimmbecken um rund zwei Grad gesenkt, die Büros im Rathaus werden in diesem Sommer nicht mehr auf 21, sondern nur auf 26 Grad klimatisiert. Mit Blick auf die kommende Heizperiode wurde dem Rat der Stadt ein Bündel von weiteren Energiesparmaßnahmen vorgelegt, die vom Grundsatz her beschlossen, aber bis September zum Teil noch konkretisiert werden.
Bürgermeister Pesch: „Wir wollen das Maximum erzielen, was technisch und rechtlich möglich sowie gleichzeitig sozial verträglich ist.“
Ein zentraler Punkt ist die Senkung der Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden, denn jedes Grad weniger bringt eine Energieeinsparung von sechs Prozent. Dafür hat Bürgermeister Klaus Pesch die Devise ausgegeben: „Wir wollen das Maximum erzielen, was technisch und rechtlich möglich sowie gleichzeitig sozial verträglich ist. Das könnte beispielsweise darauf hinauslaufen, dass es in Büros kühler als in Klassenräumen oder Kitas sein wird.“ Die entsprechenden Zieltemperaturen werden in erheblichem Maße auch von etwaigen Verordnungen abhängen. Ein aktueller Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums sieht etwa für Büros in öffentlichen Gebäuden eine Maximaltemperatur von 19 Grad vor.
Einsparungen bei Bädern und Sauna
Die Wassertemperatur in den Schwimmbädern soll weiter abgesenkt werden. Ob weitere Maßnahmen im Winter erforderlich sein werden, etwa die Außerbetriebnahme des Außenbeckens im Allwetterbad Lintorf im Winter, wird in Kürze beraten. Für die Schwimmbäder gilt: Sollte die Gasnotfallstufe ausgerufen werden, würden sie zu den ersten Einrichtungen gehören, die per Verordnung komplett geschlossen werden.
Das gilt auch für die Sauna. Dort werden Sparmaßnahmen unumgänglich sein, womöglich bis zur kompletten Schließung.
Spätere Eisaufbereitung am Sandbach
Auch die Eissporthalle am Sandbach gehört zu den großen Energieverbrauchern der Stadt, der zwingend für mögliche Einsparungen in den Blick genommen werden muss. Durch die Verschiebung der Eisaufbereitung kann eine erhebliche Menge Energie eingespart werden. Der Rat wird am 30. August entscheiden, wann Eis gemacht wird. In die Abwägung einfließen werden dabei die Belange der Ice Aliens, deren Saisonvorbereitung durch die spätere Eisaufbereitung beeinträchtigt wird.
Bei der Straßenbeleuchtung gibt es auch Energiesparpotenzial. Schon jetzt werden die Straßenleuchten ab 22.30 Uhr auf die so genannte Halbnachtstellung geschaltet, bei der nur noch die Hälfte des Stroms verbraucht wird. Künftig könnte das Straßenlicht durchgängig auf halbe Helligkeit gedimmt werden. Oder man könnte die Beleuchtung ganz abschalten, etwa zwischen 0 und 4 Uhr. „Hier müssen wird natürlich auch Sicherheitsaspekte berücksichtigen“, sagt Bürgermeister Pesch, „daher wird diese Entscheidung sehr sorgfältig abgewogen werden müssen.“ Wenig praktikabel sind differenzierte Lösungen, da sie mit einem sehr hohen Aufwand verbunden sind.
Bürgerinnen und Bürger müssen mitmachen, um das gesetzte Ziel zu erreichen
Sonderbeleuchtungen für besondere Bauten wie zum Beispiel die Stadtmauer könnten abgeschaltet, die Brunnen in der Stadt früher als geplant außer Betrieb genommen werden. „Diese Maßnahmen bringen zwar effektiv keine allzu große Einsparung, aber sie sind auffällig und mahnen daher ständig daran, wie wichtig kontinuierliches Energiesparen ist“, sagt Bürgermeister Pesch. „Diese Signalwirkung ist ein ganz wichtiger Faktor bei unseren Bemühungen, die Gasversorgung über den Winter sicherzustellen. Das Einsparziel von 20 Prozent, das von der Bundesregierung ausgerufen wurde und somit auch für die gesamte Stadt gilt, werden wir als Stadtverwaltung nicht allein erreichen können. Das schaffen wir nur, wenn die Bürgerinnen und Bürger mitmachen.“
Wer zu Hause Energie spart, handelt nicht nur solidarisch, sondern auch im ganz handfesten eigenen Interesse. Denn Energie sparen heißt Geld sparen, und im nächsten Winter wird man besonders viel sparen können, weil die Energiepreise wegen der Krise unweigerlich deutlich steigen. Daher informiert und berät die Stadt regelmäßig darüber, wie man den Energiebedarf zu Hause senken kann. Die Stadtwerke werden in Kürze einen Flyer mit den wichtigsten Tipps an alle Ratinger Haushalte verteilen.
Neben den genannten kurzfristig wirkenden Notmaßnahmen verfolgt die Stadt vielfältige Pläne zur langfristigen und dauerhaften Senkung des Energieverbrauchs sowie zur Umstellung von fossilen auf regenerative Energieträger. Dazu gehören beispielsweise das Programm zur Installation von Photovoltaik-Anlagen auf allen Dächern städtischer Gebäude, die dafür geeignet sind, entsprechende Förderprogramme für Bürgerinnen und Bürger, die energetische Sanierung städtischer Gebäude, der kontinuierliche Austausch herkömmlicher Leuchtkörper durch LED und einiges mehr.