Ratingen. „Es ist unsere unverbrüchliche Pflicht, jeder Form von Antisemitismus deutlich und ohne jede Relativierung entschlossen entgegenzutreten“, sagte der Erste Beigeordnete Patrick Anders auf der Gedenkfeier zu Ehren der Jüdinnen und Juden, die in der Pogromnacht vom 9. November 1938 und in der Zeit danach Opfer des nationalsozialistischen Terrors geworden sind. Patrick Anders wie auch der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Dr. Oded Horowitz, und der Vorsitzende des jüdischen Kulturvereins Schalom Ratingen, Vadym Fridman, äußerten ihr Entsetzen über den mörderischen Anschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 in Israel, bei dem, so wie 85 Jahre zuvor in Deutschland, Hunderte Menschen aus einem einzigen Grund getötet wurden: weil sie Jüdinnen und Juden waren.
Bei der Gedenkfeier im voll besetzten Saal des Medienzentrums vertrat der Erste Beigeordnete Patrick Anders den erkrankten Bürgermeister Klaus Pesch. Außer ihm, Dr. Oded Horowitz und Vadym Fridman sprachen auch zwei Schülerinnen des Carl Friedrich von Weizsäcker-Gymnasiums über ihre im Geschichtsunterricht gewachsene Überzeugung, dass es auch für heutige und künftige Generationen von zentraler Bedeutung ist und sein wird, die Lehren aus den schrecklichen Ereignissen von 1938 zu ziehen. Für den musikalischen Rahmen sorgte Alfred Pollmann von der städtischen Musikschule mit Stücken jüdischer Komponisten am Klavier.
Dr. Oded Horowitz erinnerte daran, dass bei allen Gedenkfeiern der letzten Jahre, bei denen an die Verbrechen der Nationalsozialisten an Jüdinnen und Juden erinnert wurde, stets die Worte „Nie wieder!“ zu hören gewesen seien. Angesichts des entsetzlichen Terrorangriffs vom 7. Oktober, dem schlimmsten Anschlag auf jüdisches Leben seit dem Ende des Nationalsozialismus, müsse man aufpassen, dass „Nie wieder“ nicht zur Floskel verkümmere. Deutsche Jüdinnen und Juden seien dankbar für die Unterstützung des Staates, „aber wir brauchen auch die sichtbare Solidarität der Zivilgesellschaft“. Wie solche Solidarität aussehen kann, zeigte anschließend Vadym Fridman, indem er aus einer E-Mail vorlas, die nach dem Terrorangriff der Hamas beim Kulturverein Schalom eingegangen war. Eine ihm unbekannte Bürgerin äußerte darin ihr Entsetzen und versicherte den Jüdinnen und Juden ihre uneingeschränkte Solidarität.
Auch Patrick Anders ging angesichts der schockierenden Parallelen auf die aktuellen Ereignisse ein: „Als wären die 85 Jahre zurückliegenden Pogrome, an die wir heute erinnern, nicht schon für sich genommen schrecklich genug, erleben wir in diesen Tagen und Wochen auf beklemmende Weise ein Wiederaufflammen des Antisemitismus, wie wir ihn trotz bedenklicher Entwicklungen in den letzten Jahren in diesem Ausmaß nicht für möglich gehalten hätten. Wir können heute nicht der Opfer von 1938 gedenken und den schrecklich aktuellen Terrorangriff der Hamas auf jüdische Menschen in Israel ausblenden. Wieder wurden Tausende Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, aus einem einzigen Grund angegriffen, viele hundert von ihnen auf bestialische Weise ermordet: Weil sie Jüdinnen und Juden waren, Bürgerinnen und Bürger Israels, aber auch anderer Staaten. Auch Deutsche. Wieder war es organisierter Terror mit dem erkennbaren Kalkül, die Massen in ihrem antisemitischen Ressentiment aufzuputschen.“
Dass dieses Kalkül aufgehe, sei erschreckend und besonders erschreckend, wenn dies in Deutschland geschehe. Anders betonte: „Wir Deutsche haben eine besondere Verantwortung gegenüber Jüdinnen und Juden in der ganzen Welt, insbesondere gegenüber unseren jüdischen Mitbürgern. Denn es ist doch geradezu ein Wunder, dass heute wieder so viele in diesem Land leben möchten. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass sie in unserer Mitte, als selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft, sicher und ohne Angst leben können. In unserer Gesellschaft darf es keinen Platz für Hass und Gewalt geben.“
Stadt Ratingen
Rabbiner Aaron Malinsky (von links), Erster Beigeordneter Patrick Anders, Vadym Fridman, Vorsitzender des Kulturvereins Schalom, und Dr. Oded Horowitz, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Düsseldorf, nach der Kranzniederlegung auf dem jüdischen Ehrenfriedhof an der Werdener Straße. (Foto: Stadt Ratingen)