Ungewöhnliches Konzert im Industriemuseum

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Foto: privat

Ratingen. Die Frage, wie Europa klingt, führte zu einer fast dreistündigen Konzertveranstaltung mit dem Ratinger Folklore-Duo Columban – Dr. Peter Baumann und Jens Barabasch. Zu der begrüßte die Vorsitzende der Freunde und Förderer des Industriemuseums Cromford Hannelore Hanning die Gäste in dem voll besetzten Auditorium.

Im historischen Ambiente der alten Fabrik, in der Hausherrin und  Museumsleiterin Claudia Gottfried einen zur Zeit nicht belegten und akustisch bestens geeigneten Ausstellungssaal zur Verfügung gestellt hatte, nahmen die beiden Folkmusiker Peter Baumann und Jens Barabasch ihre Zuhörer mit auf eine inspirierende musikalisch-literarische Reise durch die verschiedenen Regionen unseres Heimatkontinents von Nordkap bis Sizilien und von Kreta bis nach Irland.

So zogen die beiden Musiker ihren Zuhören mit Joseph von Eichendorffs Lied aus dem „Taugenichts“ die musikalischen Reiseschuhe an und entführten sie zu verschiedensten Epochen und kulturellen Strömungen Europas.

Sie erzählten von Menschen, die sich in früheren Jahrhunderten bereits auf Reisen quer durch Europa begeben hatten, darunter auch viele Spielleute und Gaukler, wie etwa Savoyarden, die  im 18. und 19.Jhdt. mit ihrer Musik und dressierten Murmeltieren auf allen

Jahrmärkten Europas auftauchten und denen Goethe in einem Theaterfragment ein Lied widmete, das Ludwig van Beethoven vertont hat.

Eine Epistel des schwedischen Nationaldichters und Hofsängers Karl Michael Bellmann kam an diesem Abend genauso zu Gehör, wie ein flämisches Heimatlied, ein okzitanisches Brautlied oder eine Pariser Straßenballade zu den Klängen des Knopfakkordeons.

Überhaupt präsentierte sich die Instrumentierung des Duos Columbans erstaunlich vielfältig. Beide Künstler sind Multi-Instrumentalisten und haben auch viel Instrumente auf ihren Reisen durch Europa eingesammelt, wie sie dem Publikum erzählten. Der Sänger Peter Baumann begleitete sich auf der Gitarre, der irischen Bouzouki und dem Knopfakkordeon, während Musiklehrer Jens Barabasch diverse Flöten (Blockflöten, Tinwhistle, irische Holzquerflöte) sowie Tambourin und Gitarre spielte.

In wechselnder Besetzung wurden temperamentvolle Tänze aus Griechenland, Ungarn und dem Balkan aber auch Irland, Skandinavien oder der Bretagne vorgestellt. Dabei wurde den Zuhörern auch vermittelt, dass Kultur und Musik an Landesgrenzen nicht Halt macht, sondern in Europa  Kulturräume auch sich erweitern und ineinander fließen. Illustriert wurde dies von Columban am Beispiel der Mazurka, eines ursprünglich polnischen Volkstanzes, der einerseits etwa durch Chopin Eingang in die Kunstmusik gefunden hat, andererseits sich aber auch als Volkstanz im Laufe des 19. Jahrhunderts über ganz Europa von Finnland bis Irland verbreitet hatte.

Besonderer akustischer Höhepunkt war die Intonation des galizischen Dudelsacks „Gaita“, eines nordspanischen Straßeninstruments, das aufgrund seiner Lautstärke in diesem Konzert allerdings auch nur als „akustisches Pausenglöckchen“ zum Zuge kam.

Die beiden Ratinger Musiker, die sich vor über 20 Jahren bei einer Ratinger Musikveranstaltung im Medienzentrum kennenlernten und über die Jahre bei verschiedenen Gruppenformationen und auch an diversen CD-Produktionen beteiligt waren, haben sich immer wieder zu gemeinsamen musikalischen Projekten zusammengefunden. Dabei betrachten sie sich in erster Linie als Live-Formation, deren Spielfreude und Musikbegeisterung stets sehr schnell auf die Zuhörer überzugreifen pflegt. Traditionelle Spielweisen wurden von ihnen verinnerlicht, aber auch bisweilen mit jazzigen Improvisationen weiterentwickelt. Ergänzt wurde das traditionelle Repertoire durch eigene Liedkompositionen, etwa das Seiltänzer-Lied  über den Zwiespalt von Kunst und Realität.

Wenn auch in diesem Konzert nicht alle europäische Regionen und Musikstile berücksichtigt werden konnten, sahen die begeisterten Zuhörer doch die Titelfrage „wie Europa klingt?„ umfassend durch das Duo Columban beantwortet, zumal sie bei verschiedenen Liedern auch zum Mitsingen und -klatschen ermuntert werden konnten.

Besonders bewegt zeigten sich viele Zuhörer vom Vortrag eines  düsteren jiddischen Liedes aus dem Liederbuch eines Litauer Ghettos um 1900, das mit dem besonderen Hinweis dargeboten wurde, dass die weitgehend untergegangene jüdische Kultur als ein über Jahrhunderte prägender Teil der europäischen Identität nicht vergessen werden darf.

So wurde dieses Konzert schließlich zu einem kleinen gesamteuropäischen Erlebnis und war im historischen Ambiente der Cromford Fabrik bestens angesiedelt.

In ihrem Dank für die qualitativ hochwertige Darbietung griffen die Vorsitzende Hannelore Hanning und Vorstandsmitglied Gerd Droste die Intention der Musiker auf, ein Europa ohne Grenzen musikalisch erfahrbar zu machen. Sie unterstrichen die Ausführungen Peter Baumanns, dass in turbulenten weltpolitischen Zeiten es umso wichtiger scheint, den Bürgern deutlich zu machen, dass Europa in erster Linie nicht als Synonym für politische Querelen und übergriffige Bürokratie verstanden werden darf, sondern ein einzigartiges Projekt eines Lebensraums voller Vielfältigkeit und kulturellen Reichtums darstellt.

Veranstalter, Besucher und nicht zuletzt die beiden Ratinger Musiker selbst waren begeistert von dem Verlauf des Konzertes und der überaus positiven Publikumsresonanz.

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