
Hösel. Der Kulturkreis Hösel lädt zu einem außergewöhnlichen poetischen und unterhaltsamen Theaterabend für Samstag, 5. April, um 19 Uhr in das Evangelische Gemeindezentrum Ratingen-Hösel, Bahnhofstraße 175. Das Wu Wei Theater Frankfurt gastiert auf Einladung des Kulturkreises mit dem Solostück „Die Geschichte der Tigerin“ des italienischen Literaturnobelpreisträgers Dario Fo (1926 bis 2016). Dieses Stück ist seit langer Zeit das Erfolgssolo des Schauspielers Andreas Wellano.
Fo war hellauf begeistert von Wellanos facettenreichem Spiel. Die künstlerische Verwandtschaft zwischen beiden ist übrigens augenfällig. Beide sind Virtuosen des Stegreifspiels, der Theatererfindung aus dem Moment heraus. Mit einer kleinen Veränderung der körperlichen Haltung, der Mimik, der Stimme gelingt es im Bruchteil einer Sekunde, Personen und Situationen auf der Bühne entstehen zu lassen. Im atemberaubenden Wechsel zwischen Erzählung und Szene werden Geschichten entworfen, die in ihrer Verrücktheit den wahnwitzigen Zustand der Welt nicht nur zeigen, sondern auch durchleuchten.
Diese Darstellungsweise verlangt vom Schauspieler Andreas Wellano alles ab! Er hat nur sich als Instrument, zeigt uns aber das Drama menschlichen Handelns (und Versagens) im großen gesellschaftlichen, geschichtlichen und politischen Kontext. Kleiner ist es nicht zu haben… da müssen ganze Armeen aufmarschieren, Dörfer ratlos Rat halten, Naturkatastrophen hereinbrechen, wilde Tiere den Rachen aufreißen, um den kleinen, gar nicht mutigen Erzähler zu verschlingen, – alles zu sehen in der unglaublich wandlungsfähigen Körpersprache von Andreas Wellano.
Entscheidend ist, ob diese Erzählform heute noch so aktuell ist wie in den 70ern des vorigen Jahrhunderts, als Dario Fo dieses Stücke schrieb? Sie ist es! – Das macht Andreas Wellano mit seinem Können, seinem Humor und seinem gegenwärtigen, intelligenten Zugriff absolut klar.
Worum geht es? In der „Geschichte einer Tigerin“ bleibt ein Soldat der Roten Armee Mao Tse Tungs auf dem berühmten „Langen Marsch“ verwundet zurück und muss sich unfreiwillig eine Höhle mit einer Tigerin und ihrem Jungen als Zuflucht teilen. Er überlebt, weil die Tigerin zu viel Muttermilch hat, und weil sie Gefallen an den Kochkünsten des unfreiwilligen Höhlengenossen findet. Natürlich haben diese Tiger symbolische Bedeutung, stehen für Mut, Freiheitswillen, ungezähmte Kraft, – Eigenschaften, die zunächst den Dorfbewohnern und dann vor allem der Parteibürokratie äußerst suspekt sind. Die Kräfte würden sie gerne nutzen, das Gefährliche aber möglichst im Käfig unter Kontrolle halten.
Dario Fos Kritik am erstarrten, die Revolution erstickenden Funktionärswesen fällt in die späten Siebziger, als K-Gruppen sich sektiererisch zankten, ob der Moskauer oder der Pekinger Weg der einzig wahre zum Paradies der Arbeiterklasse wäre. Eine lachhafte Randnotiz der Geschichte, wenn nicht heute der Funktionärskapitalismus mit roten Anstrich in China immer noch den Freiheitswillen der Nicht-Korrumpierten zu ersticken versuchte. Sehr aktuell also – auch über China hinaus.
Eine ganz neue Ebene des Spiels hat Wellano mit seiner Regisseurin Angelika Sieburg zu dem virtuosen Ritt durch die Charaktere, Typen und Situationen hinzu erfunden: Er beginnt die Erzählung auf Italienisch und berichtet von seiner ersten Begegnung mit Dario Fo. Damit holt er elegant die Zeit der Entstehung des Stücks in die Geschichte mit hinein.
Auch Nichtmitglieder sind – mit einem etwas erhöhten Eintrittsentgelts – ganz herzlich willkommen. Weitere Einzelheiten und Anmeldungen bitte unter kulturkreis-hoesel.de/programm.