Jüdische Friedhöfe: Steinerne Zeugen digital

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Duisburg/Essen. In Deutschland gibt es über 2000 jüdische Friedhöfe, die ältesten gehen auf das 11. Jahrhundert zurück. Sie sind wichtige Zeugnisse jüdischen Lebens. Kein anderes europäisches Land besitzt einen vergleichbaren Schatz an Überlieferungen. Ein Team des Salomon-Ludwig-Steinheim-Instituts an der Universität Duisburg-Essen (UDE) und der Universität Bamberg wird diese Begräbniskultur nun umfassend erforschen und digital dokumentieren. Das Projekt mit der beeindruckenden Laufzeit von 24 Jahren wird im Forschungsprogramm der deutschen Wissenschaftsakademien von Bund und Ländern mit jährlich 400.000 Euro gefördert.

„Steinerne Zeugen digital. Deutsch-jüdische Sepulkralkultur zwischen Mittelalter und Moderne – Raum, Form, Inschrift“ heißt das Mammutvorhaben. Bundesweit nimmt sich das Team 35 Friedhöfe, 33.600 Grabmale und über 19.000 Inschriften vor, die einen Zeitraum von der Frühen Neuzeit bis in das 20. Jahrhundert abdecken. Auch der Friedhof in Köln-Deutz mit seinen 3300 Grabsteinen ist darunter. Neben den Inschriften erfassen die Forschenden die geographischen Gegebenheiten der jeweiligen Anlage, außerdem die baulichen Merkmale wie das Material, die Formensprache, den Erhaltungszustand der Grabmale und ihre Anordnung.

Das Salomon-Ludwig-Steinheim-Institut ist weltweit führend in der Dokumentation und Erforschung jüdischer Friedhöfe und der Erschließung hebräischer Inschriften. Genau diese Expertise bringt das Team um Institutsleiterin Professorin Lucia Raspe in das Großvorhaben ein. „Das Steinheim-Institut hat seit 2006 die Datenbank epidat aufgebaut“, erklärt Raspe. In dieser Online-Edition, die öffentlich zugänglich ist und ständig wächst, sind 50.000 Grabinschriften von 260 Friedhöfen dokumentiert, übersetzt und kommentiert. 80.000 fotografische Abbildungen ergänzen die Edition.

Dass Deutschland europaweit die größte Zahl an jüdischen Friedhöfen besitzt, auch wenn über die Jahrhunderte hinweg viele zerstört wurden, findet Raspe beachtlich. Aber der Bestand sei bedroht, so Raspe: „Die Grabsteine zerfallen leider. Dass wir durch digitale Zweitüberlieferung dazu beitragen können, kostbares deutsch-jüdisches Kulturerbe zu erhalten, freut uns sehr. Ohne die Arbeit meines Vorgängers, Prof. Dr. Michael Brocke, wäre das Projekt „Steinerne Zeugen digital“ nicht möglich gewesen.“

Zwei Mitarbeiterinnen des Steinheim-Instituts untersuchen eine Grabinschrift auf dem jüdischen Friedhof in Essen-Segeroth. (Foto: JRF e.V.)

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