
Hösel. Die bekannte Drehbuchautorin Carolin Otto las aus ihrem ersten eigenen Roman BERCHTESGADEN vor nahezu 50 Zuhörern. Sie faszinierte durch ihre aufwändig recherchierte und kunstvoll literarisch verarbeitete Darstellung der Hintergründe der ersten Wochen nach Ende des Krieges 1945 in Berchtesgaden, der Lieblingsstadt Hitlers, sowie der Arbeit der amerikanischen Militärregierung, der Tätigkeit der sogenannten Ritchie Boys, speziell nachrichtendienstlich ausgebildete Soldaten, der Arbeit von amerikanischen Kriegs- und Nachkriegsreporterinnen, des Kritik und Widerspruch leistenden Brauereibesitzers Rudolf Kriss, der dafür zum Tode verurteilt wird, aber doch überlebt und nun Bürgermeister wird.
Carolin Otto las drei besonders eindringliche Passagen aus ihrem Buch. Sehr ergreifend war die Darstellung des Einstellungsinterviews von der 19jährigen Sophie, der Hauptfigur in dem Roman. Jeder, der nach der Kapitulation Arbeit aufnehmen wollte, musste 131 Fragen zu Einstellungen zum deutschen NS-Regime, in einem von den Amerikanern entwickelten Fragebogen, beantworten. Sophie möchte eine Stelle beim Military Government haben, wo sie das erste Mal mit der vollen Wahrheit über die ungeheuren Taten der Nationalsozialisten konfrontiert wird. Frank Rosenzweig, ein Verhörspezialist, stellt ihr auf Deutsch kluge Fragen, die sie aufrichtig beantworten möchte. Auf die Frage, ob ein Angehöriger bei der SS gewesen sei, möchte sie doch nicht die Wahrheit sagen.
Otto schildert und liest, dass angeblich niemand mit Partei und Nationalsozialismus zu tun gehabt haben will. Die Verstrickungen waren jedoch allgegenwärtig. Die Militärregierung fragte sich, wo wohl all die vielen „Nazis“ seien. Diese Gemengelage, in der Sieger und Besiegte im Kampf um Wahrheit und Überleben aufeinandertreffen, ist der Stoff, der sich auch sehr gut für eine Verfilmung eignet. Die Anfrage dafür scheint bereits gestellt zu sein, was die Drehbuchautorin begrüßt.
Die Zuschauer hörten ihrer Erzählung atemlos zu. Otto hat durch ihre Kindergarten- und Schulzeit sehr persönliche Beziehungen zu Hösel und freute sich über die Gelegenheit der Lesung gerade in Hösel. Viele signierte Exemplare des Buches wurden an dem Abend vom Büchertisch der Buchhandlung Schlüter erworben.