Ratingen. Welche Bedeutung der aus Baumwollgarn hergestellte Docht für das Brennverhalten einer Kerze hat, wollten die Freunde und Förderer des Industriemuseums Cromford wissen. Deshalb besuchten sie jetzt die Westdeutsche Dochtfabrik in Nettetal.
Sicherlich haben sich schon viele Menschen beim Abbrennen einer Kerze gestellt, warum der Docht krumm ist. Oder sie wollten wissen, welche Rolle dabei Baumwollgarn spielt, das bereits im Jahre 1784 maschinell in der Spinnerei Cromford in Ratingen hergestellt wurde.
Für die Dochtherstellung wird qualitativ hochwertige Baumwolle benötigt, die weltweit von der Westdeutschen Dochtfabrik in Nettetal eingekauft und ausgerüstet und dann je nach Bedarf verarbeitet wird.
Das Garn wird nach der Ausrüstung gefacht und geflochten. Diese Vorgänge, die Geflechte als Schlüsselkomponenten für unterschiedliche technische Systeme produzieren, machen den Unterschied zum Herstellungsprozess von Garn im 18. bis 20. Jahrhundert in Cromford deutlich.
Der WEDO-Betriebsleiter, Dirk Kornfeld (Foto), stellte in einer sehr anschaulichen Präsentation die große Produktpalette der Dochtfabrik vor und beeindruckte die Teilnehmer der Exkursion mit der Darstellung zur Entstehung und Entwicklung der Fabrik.
Am Beispiel der Dochtherstellung, die sehr komplex ist, konnte Kornfeld sehr anschaulich das Anliegen des Unternehmens, Qualität zu liefern, darstellen. Von den sechs Dochtherstellern, die es noch in Europa gibt, ist die Firma WEDO für geflochtene Kerzendochte Weltmarktführer.
Meike Bülter und Laura Hermanns aus der Entwicklungsabteilung des Unternehmens zeigten dann in einem Rundgang den Teilnehmern der Exkursion die Herstellung von Dochten. Diese müssen auf ein bestimmtes gewünschtes Kerzensystem abgestimmt werden, damit sie die bestmöglichen Brennergebnisse erzielen können. Ein gleichmäßiges Abbrennen einer Stearinkerze mit einem Docht, der mit Paraffin präpariert wurde, funktioniert genau so wenig wie das Abbrennen einer Paraffinkerze mit einem Docht, der mit Stearin präpariert wurde.
Der Docht ist der wesentliche Bestandteil einer Kerze. Damit diese ohne Rußbildung und ruhig abbrennt, sind viele Details zu beachten. Kerzen können in ihrem Herstellungsprozess gezogen, gegossen, extrudiert, gepresst, getunkt werden. Und dazu benötigen sie immer den passenden Docht.
Ein weiteres Standbein der Firma ist die Herstellung technischer Geflechte. Sie werden für Kabelummantelungen und Umwicklung bei Elektromotoren produziert.
Dirk Kornfeld führte aus, dass der Einsatz textiler technischer Geflechte, auch maßgeschneiderter Geflechte, nahezu unbegrenzt möglich ist und in der Medizin und in der Raumfahrt kontinuierlich zunimmt.
Bei der sehr aufschlussreichen Führung durch die Produktion und das Labor wurde auch deutlich, dass ohne Digitalisierung ein Herstellungsprozess heute nicht mehr zukunftsfähig ist. Jedes einzelne Teil ist in der Firma codiert. So kann eine Störung schnell erkannt, nachverfolgt und behoben werden. Güteabweichungen sind praktisch ausgeschlossen
Dass die Firma zusätzlich in der Region ein passgenauer Arbeitgeber ist und jungen Menschen einen Arbeitsplatz sichert, ist noch ein weiterer sehr positiver Aspekt der Produktion von Dochten in Nettetal-Kaldenkirchen. Die teilnehmenden Mitglieder der Freunde und Förderer des Industriemuseums Cromford konnten sich wieder mit den neuen Erkenntnissen und Anregungen beim gemeinsamen Ausklang der Exkursion austauschen und mit erhöhter Wertschätzung für ein kleines Etwas – dem Docht – den Heimweg antreten.
Foto: privat