Ratingen. Einen Tag nach Halloween, am 1. November, wird seit 900 nach Christus bei den Christen Allerheiligen gefeiert. Im Englischen heißt Allerheiligen „All Saints Day“ oder „All Hallows“. Der 31. Oktober war bekannt als der Abend vor Allerheiligen, englisch „All Hallows Even[ing]“ , verkürzt zu „Halloween“.
Wenn sich zu Halloween Kinder und Jugendliche verkleiden, so wissen die wenigsten, dass sie damit die Tradition der ersten irischen Steinzeitbauern von vor 5.000 Jahren fortsetzen. Am Ende des bäuerlichen Jahres, des natürlichen Wachstumskreislaufes, feierten sie ein Fest, das sich um zwei Hauptinteressen der Menschheit dreht – ihren Fortbestand und ihre Verbindung zu den Ahnen oder Göttern.
Auch die Kelten, die vor 2.500 Jahren Irland besiedelten, begannen das Jahr mit der dunklen Jahreszeit. Ihren Namen erhielten sie von den Griechen. Keltoi heißt die Erhabenen; für die Römer waren sie die Fremden, die Galli oder Gallier.
Ihr Fest nannten sie „Samhain“ – gesprochen: saun – was sich von „sam-fuin“ (Sommer-Ende) herleitet. Das heutige irische Wort „Samhain“ heißt übersetzt November.
Zeitlich entsprach das Fest unserem 1. November und teilte das Jahr in eine Winter- und eine Sommerhälfte, eine Jahresnacht und einen Jahrestag. Cäsars Beobachtung, dass die Kelten dem Licht das Dunkel und ihrer Zeitberechnung die Nacht voranstellten, bedeutet für Samhain, dass es zusätzlich den Charakter eines Neujahrsfestes annimmt, das den alten Zyklus abschließt und zum neuen überleitet.
Samhain sitzt zwar an einer Nahtstelle im Jahreszyklus, schließt aber eine Zeitenlücke mit ein. Sommer und Jahr enden mit dem Abend des 31. Oktober. Das neue Jahr und der Winter sind Produkte der Dunkelheit – die Nacht wurde als dazwischen hängend empfunden – sie war unmessbare Zeit, also Ewigkeit, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenfallen. Deshalb war sie besonders gut geeignet, die Zukunft zu erkunden, das heißt das, was die Götter vorbestimmten. Manche der heute noch gespielten Gesellschaftsspiele gehen auf den Versuch zurück, den Willen der Götter zu erforschen – bei den Kelten die vorrangigste Aufgabe der Druiden.
Was für die Kelten Samhain war, ist für uns Silvester. Auch wir versuchen an diesem Abend, zum Beispiel mit dem Bleigießen, die Zukunft des kommenden Jahres zu erforschen.
Spätestens bis zum Sommerende mussten die Ernte aus Feld und Garten sowie die Wildfrüchte aus Hecken und Wald eingebracht sein und die Wintersaat im Boden liegen. Das Vieh wurde von den Sommerweiden in den Stall getrieben. Brennstoff für den ganzen Winter war säuberlich im Haus geschichtet, die Pacht und sonstige Schulden bezahlt.
Im Winterhalbjahr musste mit Dunkelheit, Kälte und vermehrt mit Krankheit, Mangel und Unfällen gerechnet werden. Das Leben spielte sich während der nächsten sechs Monate in engen, verrauchten Räumen rund ums Feuer ab. Damit begann die Saison des Geschichtenerzählens.
Mit den Herden kamen Hirten und Hirtinnen nach Hause. Samhain gab dem Liebesleben Aufschwung, Hochzeiten fanden öfters statt.
Samhain war und ist in erster Linie ein Fest der Familie, der bestehenden, der zukünftigen, aber auch der vergangenen, denn die Verstorbenen nahmen auch daran teil, bevor sich das von der Kirche auf den 2. November gerückte Allerseelen überall durchgesetzt hatte.
Zu Ehren der Verschiedenen wurde das Haus zu Samhain blitzblank geputzt, das Feuer besonders sorgfältig gewartet; Quellwasser, Speisen und Tabak auf den Tisch oder vor den Kamin gestellt. Jedermann ließ die Haustür unverschlossen, verkrümelte sich aber früh ins warme Bett – die Toten schätzten es nicht, von den Lebenden beobachtet zu werden.
Zu Samhain entlässt die Erde nicht nur die Toten der Familie. Aus den „sidhe“, den grünen Feenhügeln, entsteigen Abgeschiedene verschiedenster Art: Götter, Feen, Elfen, Kobolde, der Puca, Geister und Dämonen.
So wie damals den Verstorbenen Leckereien bereitgestellt wurden, so ziehen heute in Irland und den USA die Kinder in ihren gruseligen Verkleidungen von Haustür zu Haustür mit dem Spruch „Trick or treat – Süßigkeiten oder wir spielen Euch einen Streich“. Das ganze erinnert an unser Gripschen zu St. Martin; wenngleich auch mit anderer Bedeutung. Und da St. Martin und Halloween nur zehn Tage auseinanderliegen, kommen einige Kinder halt zweimal vorbei.


