Lintorf/Hösel. „Machen wir uns nichts vor, die Zukunft unserer Museen, insbesondere der so genannten 96er-Häuser, hängt wesentlich davon ab, inwieweit es uns gelingt, die jungen Menschen für uns zu interessieren. Wir müssen es daher schaffen, die Schulklassen hierher zu holen, um unserem Bildungsauftrag gerecht zu werden“, sagt Stiftungsvorsitzender Sebastian Wladarz nach einem Besuch der neunten Klasse des Kopernikus-Gymnasiums Lintorf (KGL) im Oberschlesischen Landesmuseum OSLM). Die Schulklasse markierte eine Premiere. Sie waren die ersten Schüler, die sich im Museum mit der neuen Webdoku „Familie Neumann – Eine ostoberschlesische Geschichte von Flucht und Integration“ beschäftigten.
Das Thema Flucht und Vertreibung stand gerade auf dem Lehrplan und so haben die Lintorfer Schüler mit ihrem Geschichtslehrer Christoph Dymek die Gelegenheit genutzt, das Oberschlesische Landesmuseum als außerschulischen Lernort zu nutzen. „Es war für die Schüler eine willkommene Gelegenheit, einmal außerhalb der Schulmauern Unterricht zu gestalten. Es ist auch so, dass die Inhalte länger im Gedächtnis bleiben, die man hier vermittelt bekommt“, so der Geschichtslehrer.
Mit der Webdoku hat das Oberschlesische Landesmuseum Neuland betreten. Sie ist während eines Pilotprojektes des Kulturreferats für Oberschlesien mit dem Herder-Institut entstanden und zeichnet auf Grund der im Archiv der Stiftung gefundenen, umfangreichen Korrespondenz und Dokumentation die Fluchtgeschichte der Familie Neumann aus dem ostoberschlesischen Skotschau ab 1945 nach. Flucht und Trennung der Familie, Zwischenstation in Österreich, Tod des neugeborenen Sohnes und schließlich die Familienzusammenführung und Integration in Westdeutschland, das sind alles mitreißende Episoden, welche die Neumanns durchgemacht haben. Zusammengeführt sind sie in einer internetbasierten Dokumentation, unterlegt mit historischem Material und Erklärungen eines Historikers der Ruhr- Universität Bochum. Diese interaktive und digitale Form der Wissensvermittlung ist speziell auf junge Anwender zugeschnitten. „Wir freuen uns, dass die Premiere geglückt ist. Erinnerungskultur lebt letztlich von der Wissensvermittlung. Dafür müssen wir die jungen Leute gewinnen. Daher wollen wir noch viel stärker in digitale Vermittlungsformate investieren“, betont Museumsdirektorin Andrea Perlt. Auch die Museumspädagogik richte sich neu aus. Ziel sei es, deutlich mehr Schulklassen für den Besuch vor Ort zu gewinnen als es das bisher der Fall war.
Fakt ist, dass nicht zuletzt durch den Krieg in der Ukraine die Themen Flucht und Vertreibung in aller Munde sind. „Die Präsenz der Themen müssen wir natürlich nutzen, um auf unser Angebot hinzuweisen. Es ist immer wichtig, die Ereignisse in einen Gesamtkontext zu bringen“, ist sich Wladarz sicher. Und so war auch bei der neunten Klasse des KGL Teil der abschließenden Diskussion die Frage nach dem Umgang mit der historischen Bedeutung und der Erinnerung in Bezug auf aktuelle geopolitische Ereignisse.
Perspektivisch wollen Stiftung und Oberschlesisches Landesmuseum auf eine engere Kooperation mit dem Kopernikus-Gymnasium hinarbeiten. „Wir sind im Gespräch und denken, dass wir unsere Zusammenarbeit deutlich ausbauen können“. Natürlich will man auch weitere Schulen für einen Besuch begeistern.
Bartek Ondera mit den Schülern der 9. Klasse des Kopernikus-Gymnasiums Lintorf (Foto: privat)