Gefühl der Einsamkeit nimmt in Krisenzeiten zu

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Lintorf. Neue Coronamaßnahmen, Unwetter, Überflutungen, politische Unruhen und Waldbrände: Diese Schlagzeilen lesen wir momentan tagtäglich. Das eine betrifft uns mehr, das andere weniger direkt, doch klar ist: Die News sind kaum zu ignorieren. Das meint auch die Lintorfer Psychotherapeutin Ulrike Schüller.

„Unser Medienkonsum sorgt dafür, dass wir ständig an die momentanen Katastrophen erinnert werden. Viele Informationen können auf der einen Seite angstlindernd sein, auf der anderen Seite aber auch belasten“, erklärt Ulrike Schüller, promovierte Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.

Selbst wenn sie mit Infektionskrankheiten in ihrem Alltag als Ärztin vertraut ist, hat es auch bei ihr gedauert bis sie sich auf die Ängste der Menschen einstellen konnte: „Die Corona-Situation war am Anfang ebenfalls belastend für mich“, stellt Schüller klar. „Die Pandemie hat tiefgreifende Auswirkungen auf uns alle gehabt. Nun kommt auch noch das Hochwasser dazu. Das ist irritierend und verunsichert die Menschen.“

In ihren Augen tragen die Medien eine große Verantwortung. Die Ärztin meint dazu: „Eine Überladung an Neuigkeiten sorgt dafür, dass man das Gefühl hat, der Rest des Lebens tritt dahinter ein bisschen zurück. Man fühlt sich hilflos.“

Der Umgang mit Information ist dabei bei jedem anders. Manche Menschen sind grundsätzlich ängstlicher als andere. Für sie ist die entscheidende Frage, inwieweit ich mich mit den aktuellen Problemen beschäftigen möchte und inwieweit ich offen und empfindsam für die Neuigkeiten bin. Doch wie können wir mit unseren Ängsten umgehen?

Selbstbeobachtung ist für Ulrike Schüller das Schlüsselwort. Wir sollten mit uns selber in Kontakt treten und schauen, wie es uns geht. Wenn man merkt, dass ein bestimmtes Niveau überschritten wird, gibt es professionelle Beratungsangebote, wie die Möglichkeit mit dem eigenen vertrauten Hausarzt zu sprechen oder eine Psychotherapeutin aufzusuchen. Auch Bindung ist immer wichtig, denn: „Das Gefühl der Einsamkeit nimmt in Krisenzeiten zu“, erklärt Schüller.

Nicht nur unser Wohlbefinden wird von Krisen beeinflusst, sondern auch unser Verhalten. Leute halten in coronazeiten auf dem Bürgersteig automatisch Abstand und auch wenn sich vieles langsam wieder der Normalität nähert, bleibt eine leichte Scheu. Auch anhand des Hochwassers sehen wir: Krisen kommen und gehen. Schüller findet: „Solche Einschnitte hat es lange nicht in diesem massiven Ausmaß gegeben. Sie werden uns mit Sicherheit auch nachhaltig prägen. Fragen, wie welche Distanz man zum Anderen hat, werden wir uns in Zukunft öfter stellen müssen.“

Sie hofft, dass wir in Zukunft aufmerksamer einander gegenüber sind, friedlicher, und uns in das Gegenüber einfühlen um so das Miteinander zu stärken. Denn egal wie wir mit den Neuigkeiten und Krisen umgehen: Wir alle sind betroffen.

Das Gespräch mit Dr. Ulrike Schüller führte Selina Weegen.

Foto: privat