Ein Himmelreich für einen Schwammgummiball

Werbung

Es ist dies die Geschichte eines fußballverrückten kleinen Jungen, die sich um das Jahr 1945 abspielte ,als Deutschland nach dem verlorenen Krieg daniederlag und keiner so recht wusste, wie es nun weitergehen sollte. Unser Titelheld trat schon als Dreikäsehoch, kaum, dass er laufen konnte, gegen alles was rund war und ballähnlich aussah.

Er hatte einen zwölf Jahre älteren  Bruder, der ihn schon frühzeitig mit auf den Fußballplatz mitnahm und als Ballaufsammler einsetzte, sehr zum Vergnügen des Stepkes. Der Ball hat ihn schon damals magisch angezogen. Er bewunderte seinen Lederflickenteppich und die harten ledernen Schnüre, die den Ball festzurrten.

Der kleine Fußballer, der 1945 eingeschult wurde – zu einer Zeit da Hunger und Elend, Chaos und Angst den Alltag in Deutschland bestimmten, merkte trotz seiner sieben Jahre schon, dass sich etwas Unvorstellbares ereignet haben musste.

Wie dem auch sei, der Schulalltag zog ein und Schiefertafel und Griffel waren von nun sein Handwerkszeug. Die Schulbänke, bestückt mit einem integrierten Tintenfass, waren für je zwei Schulkinder vorgesehen. Unter dem Pult befand sich ein Fach, in dem Bücher und Sonstiges abgelegt wurden. Unser Schüler bemerkte sehr schnell, dass sein Mitschüler dort einen wunderschönen braunen Schwammgummiball versteckt hatte, mit dem man in der Pause Fußball spielte.

Der „Schwammgummiballbesitzer“ hatte auch noch ein fast neues kleines Fahrrad, zu jener Zeit etwas ganz Besonderes. Mit großen Augen bestaunten die Mitschüler sein Fahrrad auf dem er ab und zu zu radeln pflegte und den zarten Neid seiner Mitschüler erweckte.

Aber dieser Schwammgummiball! Der kleine fußballliebende Nachbar durfte den Ball auch schon einmal in die Hand nehmen, um ihn dann kurz darauf wieder artig abzugeben. Diese Rituale fanden fast täglich und halt auch während des Unterrichts statt.

Horst Brink (rechts) etwa 1951

Eines Tages aber schmiedete der kleine Fußballer einen, aus heutiger Sicht, schäbigen Plan. Er stibitzte in einem unbewachten Augenblick den Schwammgummiball und steckte ihn kurz vor Schulschluss in seinen Tornister.

Kaum war er zuhause, holte er den Ball aus seinem Tornister und bestaunte denselben wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Doch kaum hatte er ihn so recht befummelt und berochen, da quälten ihn auch schon große Schuldgefühle. Wie sollte er sich morgen neben seinen Schulkameraden setzen und ihm in die Augen schauen können, nach all dem was vorgefallen war?

Es war zum Verzweifeln und die Angst vor dem nächsten Tag ließ ihn nachts  kein Auge zumachen. Es waren wohl die schrecklichsten Stunden im Leben des kleinen Mannes, der doch nur allzu gerne alles ungeschehen machen würde. Ängstlich und mit zittrigen Knien stand er auf dem Schulhof und mied die Nähe seines „Schwammgummiball-Schulfreundes“, der vom Verschwinden desselben anscheinend noch nichts bemerkt hatte.

Den Ball im Tornister ging es nach dem Klingeln der Glocke in die Schule. Nach Begrüßung durch den Lehrer ging es dann bei gutem Wetter immer auf den nahegelegenen Gänseanger, wo dann Volkslieder gesungen wurden. Vor Verlassen des Klassenraumes jedoch nutzte unser Fußballfreund die Gunst der Stunde und legte blitzschnell und unbemerkt den „Schwammgummiball“ wieder an seinen angestammten Platz.

Horst Brink

Werbung