
Hösel/Görlitz. Den Anspruch, die Menschen nach Oberschlesien zu bringen und ihnen diese vielfach spannende Region zu zeigen, hat Sebastian Wladarz, Vorstandschef der Stiftung Haus Oberschlesien, recht früh als eins der Ziele der Stiftung formuliert. „Daher freue ich mich, dass wir mit unserem Partner Senfkornreisen in Görlitz und dem Kulturreferat für Oberschlesien nun eine Bildungsreise als ‚Europa-Akademie‘ anbieten können, die Oberschlesien in vielen Bereichen unter die Lupe nimmt“, so Wladarz.
Die zehntägige Reise vom 9. bis zum 18. September 2022 bietet ein vielfältiges Programm aus Musik, Literatur, Geschichte, Architektur, politischer Bildung aber auch Heimat/Folklore .Den Anfang bildet das „Kulturfestival der deutschen Minderheit“ in der schlesischen Metropole Breslau. Ausgetragen wird es in der Jahrhunderthalle, architektonisches Vorbild für die Dortmunder Westfalenhalle und UNESCO-Welterbe. Weiter geht es zum berühmten St. Annaberg, dem Hauptwallfahrtsort und Heiligtum der Oberschlesier. Bis 1940 kamen hier zehntausende zu den Männerwallfahrten zusammen, einem beeindruckenden Symbol des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Im Sanktuarium Groß Stein haben die Teilnehmer dann die Gelegenheit mit einem exponierten deutsch-polnischen Brückenbauer zu sprechen. Der ehemalige Oppelner Ordinarius, Erzbischof Alfons Nossol höchstpersönlich gibt sich die Ehre. Der Besuch der Institutionen der deutschen Minderheit wie der Sozialkulturellen Gesellschaft, des Forschungszentrums sowie des Dokumentations- uns Ausstellungszentrums steht dann in Oppeln auf dem Programm.
Auf dem Weg nach Gleiwitz lernen die Teilnehmer prachtvolle Schlösser der Industriemagnaten kennen, wie das Schloss Ballestrem in Plawniowitz. In Gleiwitz selbst, das im 20. Jahrhundert durch den fingierten Überfall auf den Reichssender traurige Bekanntheit erlangte, der Hitler als Vorwand für den Angriff auf Polen diente, begibt man sich nach dem Besuch des Senders (heute Abteilung des Museums Gleiwitz) auf jüdische Spuren. Im Gedenkhaus der Oberschlesischen Juden erfahren die Teilnehmer etwas über Werdegang, Leistung und Schicksal der Juden in Oberschlesien bis in die Zeiten der kommunistischen Diktatur.
Auch für Literaturinteressierte wird etwas geboten. Alfred Theisen referiert über den herausragenden Beitrag oberschlesischer Autoren zur deutschen Literaturgeschichte. Dabei stellt er bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten vor. Dawid Smolorz, Kurator der geplanten Sonderausstellung des Oberschlesischen Landesmuseums zum 100. Jahrestag der Teilung der Region referiert passend zum Thema: „Oberschlesien vor 100 Jahren – Volkstumskampf und Teilung“. Die Brücke in die heutige Zeit schlägt dann der Besuch einer bilingualen Bildungseinrichtung des Vereins Pro Liberis Silesiae in Raschau, wo Kinder heute in Kindergarten und Grundschule (in Polen acht Jahre) zweisprachig unterrichtet werden und so auch die deutsche Sprache erlernen. Für einen Heimatabend sorgt das bekannte Duo „Aneta und Norbert“.
In Kattowitz, der Hauptstadt der oberschlesischen Woiwodschaft Schlesien, erfahren die Teilnehmer sowohl etwas über die Sowjetzeit und die tragische Geschichte der Region anhand der Niederschlagung des Bergarbeiterstreiks (mit neun Toten) in der Zeit des Kriegsrechts als auch über die Transformation Oberschlesiens von einer Montanregion zum Technologie- und Dienstleistungsstandort. Auch das Haus der deutsch-polnischen Zusammenarbeit steht auf dem Rückweg auf dem Programm.
Für Freunde der klassischen Musik wird der Besuch in Oberglogau ein Highlight. In der oberschlesischen Kleinstadt war eins auf Einladung des Grafen von Oppersdorf kein geringerer als Ludwig van Beethoven zu Gast. Dort schrieb er an seinen Symphonien. Die „Vierte“, seine romantischste Symphonie widmete er dem Grafen. Heute findet in Oberglogau das „Schlesische Beethovenfestival“ statt, an dem die Mitreisenden teilnehmen werden.
„Das sind, nur kurz beschrieben, die Höhepunkte der Bildungsreise. Wir bieten den Teilnehmern der Europa-Akademie einen guten Blick auf die Region, und zwar aus vielen Perspektiven. Wir zeigen das moderne, heutige Oberschlesien und bringen den Menschen seine Geschichte näher. Ein Konzept, was – so bin ich überzeugt – in der Lage ist, die Menschen für diese Region zu begeistern“, glaubt Sebastian Wladarz. Man gehe mit der Kooperation neue Wege und hofft auf eine gute Resonanz.
Breslau (Foto: Wilfried Besser auf Pixabay)